Jan Age Fjörtoft riet den Stars der Tottenham Hotspur schon mal, sich besser warm anzuziehen. Sie sollten an Mützen und Handschuhe denken, schrieb der frühere norwegische Fußball-Nationalspieler und einstige Frankfurt-Stürmer in den sozialen Medien. Trotz des 3:1-Siegs im Hinspiel könnte es für die Engländer im Halbfinal-Rückspiel der Europa League beim FK Bodö/Glimt am Donnerstag (21.00 Uhr/RTL+) noch ungemütlich werden – und ziemlich kalt. Glimt – das kann man aus dem Norwegischen auch als Blitz übersetzen. Trifft der nun auch die Spurs?
Kleines Städtchen, kleines Stadion
Bodö/Glimt – der kleine Club aus der nordnorwegischen Provinz Nordland ist die große Sensation der laufenden Europapokal-Saison. Und in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich: bei den schillernden gold-gelben Trikots angefangen, über die gerade mal knapp 8.000 Zuschauer fassende Arena mit ihrem Kunstrasen bis hin zu Stadionanfahrten, die mitunter nicht mal eine Minute dauern.
Als erster norwegischer Vertreter überhaupt hat der Verein aus dem weniger als 50.000 Einwohner zählenden Städtchen Bodö ein Europacup-Halbfinale erreicht. Wird das zweite Duell mit Tottenham nun das vorerst letzte Kapitel dieser besonderen Erfolgsstory? Oder gibt’s das nächste Fußball-Wunder und beim Endspiel am 21. Mai in Bilbao womöglich gar das ganz große Happy End?
Ex-Frankfurter Hauge optimistisch
«Es ist klar, dass wir Leistung auf allerhöchstem Niveau zeigen müssen», sagte Kapitän Ulrik Saltnes, der in der Schlussphase des Hinspiels noch das 1:3 erzielt und die Ausgangslage des Außenseiters damit etwas verbessert hatte. «Die Möglichkeiten sind da», meinte Jens Petter Hauge, den zumindest so mancher deutscher Fan noch aus seiner kurzen Zeit bei Eintracht Frankfurt kennen dürfte.
Größere Stars gibt es im Team von Trainer Kjetil Knutsen nicht. Der Marktwert des gesamten Kaders wird auf gut 40 Millionen Euro geschätzt. Zum Vergleich: jener der Spurs auf knapp 840 Millionen. Es ist das vielzitierte Duell zwischen David und Goliath. Doch lange nicht das erste für die «gelbe Horde».
Große Siege und eine abstrus kurze Anfahrt
FC Porto, Besiktas Istanbul, Twente Enschede, Olympiakos Piräus – die Liste der Clubs, die beim norwegischen Underdog im Laufe dieses Wettbewerbs schon verloren haben, ist beachtlich. Zuletzt im Viertelfinale erwischte es Lazio Rom. Auch die Italiener bekamen vor allem die Heimstärke von Bodö/Glimt zu spüren, verloren erst auswärts und schieden letztlich im Elfmeterschießen aus.
Was die Festung Aspmyra-Stadion ausmacht? Die Kälte. Auch im Mai hat es im hohen Norden des Landes mitunter Temperaturen nur knapp über dem Gefrierpunkt. Der für viele Gegner ungewohnte Kunstrasen. Vielleicht auch das provinzielle Umfeld. In der Regel gehen Bodö/Glimts Spieler den kurzen Weg zum Stadion einfach zu Fuß. Vor der Partie gegen Porto legten sie die gut 200 Meter vom Sammelpunkt zur Arena auf Wunsch der UEFA mit dem Bus zurück.
Besonderes Highlight gegen Mourinho
Fest steht: Bodö/Glimt hat sich einen Namen gemacht. Die heimische Liga beherrscht der Club ohnehin wie einst die früheren Topvereine Rosenborg Trondheim oder Viking Stavanger. In den vergangenen fünf Jahren feierte der FK vier Meisterschaften. Auch außerhalb Norwegens steigt die Popularität – vor allem, aber nicht nur durch diese Saison, die in der Champions-League-Quali begann und in der Bodö/Glimt bereits 21 internationale Spiele bestritten hat.
Ein besonderes Ausrufezeichen setzte der Club schon im Oktober 2021: Damals fertigte der Außenseiter in der Gruppenphase der Conference League die AS Rom und deren damaligen Trainer José Mourinho ab – mit 6:1.
Gibt’s nun eine weitere Sternstunde am Polarkreis? Die Spurs seien favorisiert, meinte TV-Experte Fjörtoft nach dem Hinspiel. Aber: «Bodö/Glimt hat eine gute Chance, das Spiel zu wenden. Denn selbst die Tottenham-Spieler werden anfangen, sich über die Nachteile in Bodö Gedanken zu machen.» Und die wurden bekanntlich schon vielen Hochkarätern zum Verhängnis.