Das Münchner Fußball-Meisterwerk in der Champions League in Paris verfolgte Lennart Karl auf der Bayern-Bank quasi aus der ersten Reihe. Ganz schnell könnte in der steilen Karriere des hochbegabten Teenagers der nächste große Schritt auf dem Platz folgen – im Nationalmannschaftstrikot.
Vor der Nominierung seines letzten Kaders für die WM-Qualifikation wägt Bundestrainer Julian Nagelsmann alle Argumente ab, ob er den 17-jährigen Münchner schon jetzt erstmals beruft – zum Luft schnuppern für ganz große Fußball-Aufgaben.
Karl steht nicht alleine auf dem DFB-Zettel. Auch der junge Kölner Stürmer Said El Mala (19), der frühere Hannoveraner Nicolò Tresoldi (21) oder Leipzigs Assan Ouedraogo (19) fielen in dieser Saison durch Leistungssprünge auf.
Keine «Kirmes in der Rübe»
Nagelsmann ist zwar kein Freund des Jugendwahns. «Ich halte wenig von dem extrem frühen Hypen», sagte er nach dem 1:0 in Nordirland im Oktober. Sonst gäbe es bei den Jung-Profis «Kirmes in der Rübe». Aber gleichzeitig will der Bundestrainer schon Optionen checken und Reizpunkte setzen Richtung WM 2026 in Amerika.
Möglicherweise fällt die Entscheidung über eine Nominierung erst kurz vor der Veröffentlichung des Kaders für die bevorstehenden Partien in Luxemburg und gegen die Slowakei an diesem Donnerstag (13.00 Uhr). Eine Berufung der Supertalente hätte eine sehr spezielle Signalwirkung.
«Wir versuchen immer, die jungen Talente im Auge zu haben», versicherte Nagelsmann. Er verlangte aber auch das gewisse Etwas. «Wir haben auch in der A-Nationalmannschaft einen großen Pool, da muss man schon klar besser sein.»
Kahn und Matthäus raten ab
DFB-Kapitän Joshua Kimmich konstatierte, dass es heute mit der Karriere im Nationaltrikot schneller geht, als zu seiner Debützeit vor fast zehn Jahren. Torwartlegende Oliver Kahn und Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, der 1980 im Alter von 19 Jahren Europameister wurde, warnten vor einer zu frühen Einladung.
Karl feierte sein Profi-Debüt für die Bayern bei der Club-WM im Sommer beim 10:0 gegen Auckland City in den USA, dem Sehnsuchtsort für den kommenden Sommer. Zwölf teilweise famose Einsätze und zwei wunderschöne Tore des Teenie-Stars, der vom ehemaligen Nationalelf-Kapitän Michael Ballack beraten wird, sind in dieser Saison dazu gekommen.
Sein Personaltableau veröffentlicht Nagelsmann über die Social-Media-Kanäle des DFB. Und da die Langzeitverletzten Marc-André ter Stegen, Antonio Rüdiger, Kai Havertz, Niclas Füllkrug sowie Karls Clubkollege Jamal Musiala weiter fehlen werden, sind Kaderplätze zum Probieren frei. Dem Vernehmen nach hat auch Leroy Sané gute Rückkehrchancen, nachdem er von Nagelsmann nach seinem Wechsel zu Galatasaray Istanbul zuletzt zweimal ignoriert wurde.
Karl würde bei einem Länderspiel-Einsatz schon jetzt zum jüngsten Nationalspieler seit 115 Jahren werden und den legendären Uwe Seeler auf Rang drei im DFB-Altersranking ablösen. Nach seinen Zaubertoren in der Champions League gegen Brügge und der Liga bei Borussia Mönchengladbach wurde der Ruf schnell laut, dass so einer auch der DFB-Elf aktuell helfen kann.
Primär geht es für Nagelsmann zum Jahresabschluss aber natürlich um das WM-Ticket. Zwei Siege am 14. November in Luxemburg und drei Tage später in Leipzig gegen die Slowakei – und Deutschland ist bei der Endrunde 2026 in den USA, Mexiko und Kanada fix dabei. Aber der Bundestrainer denkt halt auch schon perspektivisch Richtung Sommer.
Nagelsmann mag es, frische Kräfte in den Kader zu nehmen, um zu schauen, wie sich die potenziellen Herausforderer im Kreis der Etablierten präsentieren. Die Mischung macht es dann. Auf keinen Fall ängstlich, devot, aber dennoch dem Teamgefüge angepasst, sollten sie agieren. Nagelsmann schaut genau hin und fällt klare Urteile.
Eine frühe Nominierung bietet auch Gefahren. Nnamdi Collins (21) von Eintracht Frankfurt wurde von Nagelsmann zum Quali-Auftakt in der Slowakei von der U21 gleich in die Startelf befördert und fiel beim 0:2 in Bratislava durch. Bei der letzten WM 2022 war Youssoufa Moukoko als 17-Jähriger der Teenie-Star. Als Karrieremotor diente die frühe DFB-Berufung dem ehemaligen Dortmunder nicht. Er spielt mittlerweile beim FC Kopenhagen.
Kein Einsatz in Katar
Karl könnte übrigens schon jetzt bei einer WM mitspielen. Beim gerade laufenden U17-Turnier in Katar. Das Leistungsniveau seiner Altersgenossen ist aber längst nicht mehr sein Maßstab. Schon im Frühjahr hatte der FC Bayern beim DFB hinterlegt, dass Karl für den Profikader eingeplant werde und nicht mehr bei den Junioren mitspielen soll – Nutznießer könnte nun Nagelsmann sein.
