Mit einer riesigen Musikbox und zu Klängen von Robin Williams‘ «Angels» stiegen die deutschen Fußballerinnen tanzend aus dem Mannschaftsbus. Im Hotel in Zürich ging die Feier nach dem vorzeitigen Viertelfinaleinzug bei der EM noch weiter – Christian Wück grübelte da längst über die Defizite seines Teams. Nach dem 2:1 gegen Dänemark und vor dem letzten Gruppenspiel gegen Schweden sparte der Bundestrainer nicht mit Kritik an seinem sangesfreudigen, aber nicht immer spielstarken Team.
Natürlich war die Erleichterung über den «Mentalitätssieg» groß beim achtmaligen Titelgewinner. «Wir sind unheimlich glücklich, dass wir das noch umgebogen haben. Es war für mich unheimlich wichtig, auch mal dieses Gesicht der Mannschaft zu sehen, weil wir es aus technischer Sicht, aus spielerischer Sicht nicht hinbekommen haben», bilanzierte Wück nach dem verdienten, aber doch mühsamen Erfolg im mit 34.165 Zuschauern ausverkauften St. Jakob-Park von Basel.
«Technisch unsauber»
Der 52-Jährige lobte die typischen deutschen Tugenden seiner Auswahl: Kampf, Mentalität, Siegeswille. Doch spielerisch offenbarte die DFB-Elf so manche Mängel, auch wenn Lea Schüller mit ihrem Siegtreffer alle beseelte. «Technisch unsauber», sei ihr Team teilweise gewesen, räumte auch Elfmetertorschützin Sjoeke Nüsken ein: «Das müssen wir abstellen, dringend. Es ist wirklich wichtig, dass wir da weiter an uns arbeiten und die Basics von vorn bis hinten auf den Platz kriegen.»
Gegen die Schwedinnen geht es nun am Samstag (21.00 Uhr/ZDF und DAZN) in Zürich um den Gruppensieg – und darum, dass das Wück-Team in Top-Form kommt, bevor in den K.o.-Spielen die richtig großen Herausforderungen warten.
Wück mokierte sich – wieder einmal – über die Passqualität seiner Spielerinnen. «Der erste Kontakt ist das Erste, was auffällt – und das ist der Unterschied zwischen den absoluten Spitzenmannschaften, wenn ich jetzt an Frankreich und Spanien denke. Das werden wir angehen.» Viele Bälle vertändelten die Deutschen in der Offensive, wo Spielgestalterin Linda Dallmann wenig Lücken fand und das Tempo von Flügelflitzerin Jule Brand oft verpuffte.
«Wir müssen uns vor keiner Nation verstecken. Aber wir müssen natürlich schauen, dass wir unser absolutes Top-Level mit allen im Team erreichen», mahnte der Bundestrainer. «Wir merken schon, dass es nicht von allein geht, aber das ist auch keine Überraschung, dass es harte Spiele sind», sagte die eingewechselte Mittelfeldspielerin Laura Freigang auch im Rückblick auf den 2:0-Erfolg zum Turnierauftakt gegen Polen.
Wamser überzeugt als Gwinn-Ersatz
In der Defensive überzeugte rechts die 21-jährige Carlotta Wamser als Stellvertreterin der verletzten Kapitänin Giulia Gwinn. Die Abwehrchefin und neue Spielführerin Janina Minge musste dennoch öfter Lücken bei Kontern stopfen.
Wück hatte derweil noch ein Hühnchen zu rupfen mit seiner Torhüterin: Die Dribblings von Ann-Katrin Berger findet der Chefcoach eindeutig zu riskant. Die Frage, ob der offensive Spielstil der 34 Jahre alten Olympia-Heldin von 2024 so in Ordnung für ihn sei, beantwortete der Chefcoach mit einem klaren «Nein».
Mehr könne er vorerst nicht zu dem Thema sagen, ergänzte Wück, «aber ich werde mich mit ihr natürlich an den Tisch setzen, dass wir da andere Lösungen finden müssen – weil sonst werde ich nicht alt».
Berger hatte dreimal dänische Spielerinnen unmittelbar vor dem eigenen Tor ins Leere laufenlassen, statt den Ball frühzeitig zu klären. Die riskanten Manöver gingen stets gut.
Berger wehrt sich gegen Wück-Kritik
Die beim US-Club NY/NJ Gotham FC unter Vertrag stehende Schwäbin verteidigte nach dem Spiel ihre Finten auf Nachfrage: «Vielleicht sieht es bei euch so aus, aber ich muss ehrlich sagen: Die drei Aktionen, die ich hatte, da hatte ich eigentlich ein echt gutes Gefühl.»
Trotz Wücks Schelte will sie nicht zwingend von ihrem risikoreichen Spiel abweichen – zumal sie das Thema ganz entspannt sieht: «Wenn ich manchmal die Fußballclips angucke, sieht es in eurer Perspektive einfach ganz anders aus wie bei mir und deswegen würde ich es wahrscheinlich wieder tun», sagte sie mit einem Lächeln.
«Ganz raus werde ich es auf jeden Fall nicht bekommen»
Höher habe ihr Puls bei den Dribblings nicht geschlagen. «Ich liebe es, Fußball zu spielen und ich glaube, das ist einfach meine Art und Weise. Vielleicht kann man es minimieren, aber ich glaube, ganz raus werde ich es auf jeden Fall nicht bekommen», erklärte die Stammkeeperin.
Mit Wück sprechen werde sie dennoch, um nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. «Wenn der Cheftrainer jetzt was anderes sagt, dann mal gucken, ob ich es weiter mache.»